Zum Hauptinhalt springen

Positionspapier Koalitionsvertrag

Feenstaub hilft nicht gegen Klimawandel - Ergebnisse der jüngsten Ampelbeschlüsse im GRÜNEN OV Ingelheim diskutiert

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das gilt insbesondere für das aktuelle Beschlusspapier „Moderni-
sierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ des Koalitionsausschusses der Am-
pelkoalition auf Bundesebene. Der Ortsverband (OV) Ingelheim von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN hat
das Papier diskutiert, bewertet und dazu die folgende Position verfasst (siehe Genese des Papiers am Ende des Dokuments*).
Wermutstropfen und Leuchttürme
Der OV hätte sich eine klarere GRÜNE Handschrift bei den Beschlüssen gewünscht und sieht einige
Punkte des Papieres schon sehr kritisch. Dazu zählt an vorderster Stelle die Aufweichung des Kli-
maschutzgesetzes, indem die Verantwortung der jeweiligen Wirtschaftssektoren für Klimaziele
verwässert wird. Wenn einzelne Sektoren ihre Ziele nicht erreichen, kann das laut den Beschlüssen
durch andere Sektoren ausgeglichen werden. Was sich nach Teamplay anhört, ist für den OV in
Wahrheit ein „Volker-Wissing-Entlastungs-Beschluss“, denn der Verkehrssektor in der Verantwor-
tung des zuständigen Ministers versagt bei den Klimazielen am deutlichsten. Man stärkt die Statik
einer Brücke auch nicht, indem man die Traglast der Pfeiler ungleich verteilt und den Ausgleich bei
Erosion einer Stütze den anderen aufbürdet – die Brücke wird trotzdem einstürzen. Negativ beur-
teilt wurde auch das „Freikaufen“ beim Naturschutz, wenn statt dem Ausweisen von Ausgleichsflä-
chen bei Bauprojekten zukünftig Kompensationszahlungen möglich sind. Die „Verkaufe“, dass da-
mit zusammenhängende Flächen erworben werden können, ist eher ein Feigenblatt. Natürlich gibt
es auch zu lobende Punkte bei den Beschlüssen. Dass die Bahninfrastruktur durch Gelder der LKW-
Maut verbessert werden soll à la „Straße saniert Schiene“ zählt genauso dazu wie eine tatsächlich
erkennbare Beschleunigung bei der Genehmigung von Windanlagen. (Auf weitere Negativ- und
Positivaufzählungen verzichtet der OV – es geht hier nicht um Detailbewertungen.)
Handlungsfähigkeit herzustellen ist Verantwortungsbereitschaft
Der OV erkennt aber grundsätzlich an, dass der GRÜNEN Regierungsbeteiligung die Sicherstellung
einer Handlungsfähigkeit besonders wichtig war und stärkt der Bundesebene an dieser Stelle den
Rücken. Aus Sicht des OV gibt es hierzu derzeit auch keine Alternative. Gleichzeitig erinnert der OV
aber auch daran, dass die GRÜNEN Mitglieder dem bundesweiten Koalitionsvertrag als Grundlage
einer Regierungsbeteiligung seinerzeit mehrheitlich zugestimmt haben. Wenn man sich von diesen
Beschlüssen zu weit entfernt - auch ein warnendes Signal an die Bundespartner, entfiele auch die
Basis der einstigen Zustimmung.
Konkrete Wirkung vor Ort in Ingelheim
Bei den konkreten Folgen der Beschlüsse auf lokaler Ebene stößt dem GRÜNEN OV der ange-
strebte Autobahnausbau der A60 zwischen Ingelheim West und Heidesheim sauer auf. Dieser zählt zu den priorisierten 144 Autobahnprojekten bundesweit, die beschleunigt werden sollen. Damit
werden weitere Anreize für einen motorisierten Individualverkehr gesetzt statt ein Umsteigen auf
Bahn und ÖPNV zu forcieren. Vor allem sollte aus GRÜNER Sicht die Diskussion um einen weiteren
Autobahnanschluss Ingelheim Mitte keinen weiteren Aufwind erfahren, was im Windschatten des
A60-Projektes aber droht.
Auch das vieldiskutierte Gebäudeenergiegesetz entfaltet perspektivisch eine sehr konkrete Wir-
kung vor Ort, da neue Regelungen für den Heizungsbau sehr schnell und sehr konkret bei den
Menschen vor Ort im Privaten aufschlagen. An dieser Stelle fordert der OV die Bundesregierung
auf, eine transparentere Aufklärung zu leisten und ein schlüssigeres Narrativ zu entwickeln. Es ist
dem OV wichtig zu betonen, dass mit dem Gesetz schließlich keine funktionierenden Heizungen
ausgetauscht werden sollen. Vielmehr gilt es, über die deutlichen Energieeinsparmöglichkeiten
(und damit Kosteinsparungen) von Wärmepumpen auf Dauer zu informieren und mit Fehlinforma-
tionen aufzuräumen. Beispielsweise können moderne Wärmepumpen aufgrund besserer Vorheiz-
werte selbstverständlich mit normalen Heizkörpern kombiniert werden und benötigen keine Fuß-
bodenheizung (ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält). Aber Klimawende geht auch nur mit Eigen-
verantwortung - oder sinngemäß nach dem Spruch einer Klimaaktivistin vor kurzem im TV: „Es
reicht nicht, wenn wir nur ein wenig Feenstaub auftragen“.
Fazit
Wo Klimakanzler drauf steht ist nicht immer auch Klimakanzler drin und manch eine Partei, die für
Technologieoffenheit wirbt, steht nicht wirklich für Fortschritt, sondern blockiert eher nötige Ent-
wicklungen. So kritisiert der OV Ingelheim die fehlende Kompromissbereitschaft der bundesweiten
Koalitionspartner, eine Kompromissbereitschaft - so hat man das Gefühl beim Lesen des Papiers -
fast nur die eigene GRÜNE Partei aufgebracht hat. An die eigene Parteispitze formuliert der OV die
Botschaft „Weiter Rückgrat bei den Klimazielen – eine Aufspaltung an der Klimafront darf es nicht
geben.“

*(Genese des Papiers: Das Papier wurde verfasst vom Vorstand des Ortsverbandes und auch durch Vorstandsbeschluss als Positionspapier des OV-Ingelheim vom Vorstand legitimiert. Der Auftrag dazu kam aber aus den Reihen der Mitglieder, die sich eine Diskussion zu den Bundesbeschlüssen wünschten. Diesem Wunsch wurde durch ein digitales Ortsverbandstreffen Folge geleistet, bei dem durch die dort anwesenden Mitglieder im Konsens inhaltliche Korridore für ein Papier formuliert wurden. Nach Fertigstellung wurde das Papier nochmal allen Mitgliedern per Email weitergegeben - mit der ausdrücklichen Möglichkeit von Rückmeldungen und auch Widerspruch. Nach einhellig positiven Rückmeldungen wurde das Papier in einer Vorstandssitzung einstimmig verabschiedet. Ergo wurde es zwar nicht durch eine Mitgliederversammlung beschlossen, aber die Beteiligung geht doch deutlich über einen reinen internen Vorstandsentscheid hinaus.)