Haushaltsrede 2025
(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Stadtvorstand,
liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
liebe Stadtratskolleginnen- und kollegen,
es liegen anstrengende Haushaltswochen hinter uns, sowohl für die Verwaltung als auch für uns ehrenamtliche Rats- und Fraktionsmitglieder. Wochenlang haben wir uns mit Finanz- und Ergebnishaushaltsentwürfe befasst; aufgeteilt in zig Teilhaushalte und weitere Dokumente. In Summe ergaben sich allein für den städtischen Haushalt für die Finanz-Feinschmecker rund 750 Seiten zum Durcharbeiten. Ergebnis waren lange Fragenkataloge, viele Detaildiskussionen, relativ wenige Anträge und trotzdem sehr lange HuFa-Sitzungen. Sechs Stunden HuFa an einem Montag nach einem langen Arbeitstag, wenn der Rest der Woche noch vor einem liegt, sind schon eine Herausforderung.
Und auch wenn wir uns heute nun auf der Zielgeraden befinden, eine wirkliche Befriedigung und Zufriedenheit vermag sich nicht so richtig einstellen. Denn wenn man auf den Ingelheimer Haushalt schaut, sieht man lauter Details, lauter Bäume, aber wir würden lieber Wald erkennen. Was nehmen wir mit?:
Wir schreiben nach wie vor ein hohes Defizit, das wir uns nur leisten können, da wir als Stadt noch soviel auf der hohen Kante haben. Laut Ergebnishaushalt gehen wir auf ein Defizit von fast 25 Millionen Euro zu und ob wir wirklich ab 2029 wie geplant wieder schwarze Zahlen schreiben, muss man bei reiner Fortschreibung bei den allgemeinen Kostenentwicklungen, Personalbedarfen und den schwierigen Kreisfinanzen (Mainz-Bingen) mit drohenden Steigerungen bei der Kreisumlage durchaus mal abwarten.
Es gibt zwar kleine Fortschritte bei der Transparenz und den Erklärungen zum Haushalt, aber die langen Diskussionen und vielen Fragestellungen zeigen: es fehlt nach wie vor ein guter Gesamtüberblick, zudem eine Art Konzernabschluss und eine stimmige Vorgehensweise wie man strategisch die Zukunft in Ingelheim gestalten will, vermissen wir auch. Die sporadisch tagenden und doch eher unstrukturierten Haushalts- und Konsolidierungsworkshops taugen jedenfalls weniger dafür. Auch das erinnert mehr an Puzzeln denn Planen mit Gesamtvision.
Hinzu kommen die Probleme insbesondere im Finanzbereich ausreichend Personal rekrutieren zu können. Das merken wir an den immer noch fehlenden Jahresabschlüssen, die zurecht von uns Ratsmitgliedern und der ADD immer wieder angemahnt werden, uns immer wieder versprochen werden, aber – und jährlich grüßt das Murmeltier - wegen Personalknappheit dann doch nicht erfolgen. In den Haushaltsberatungen wurde uns nun der Abschluss für 2018 im Januar 2026 avisiert. Noch im Mai 2025 wurde das damals vor der Sommerpause angekündigt und im Januar 26 sollte eigentlich der Abschluss 2020 vorliegen.
Gleiches gilt für die Grundsteuer C, die wir als Grüne gerne angegangen sähen, um mehr Nachverdichtung zu erreichen. Diese wird gerne gelobt und versprochen, einzig eine Umsetzung lässt mangels Personal auf sich warten.
Doch wir wollen hier als GRÜNE nicht nur kritisieren, sondern auch aktiv Lösungen anbieten
Daher würden wir gerne einmal den Vorschlag eines Doppelhaushaltes in die Diskussion einbringen. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Planungssicherheit für zwei Jahre
Verlässliche Finanzgrundlagen für Verwaltung, Projekte und Personal.
Langfristige Vorhaben könnten ruhiger geplant und umgesetzt werden. - Reduzierter Verwaltungsaufwand
Haushaltsaufstellung, Beratungen und Beschlüsse nur alle zwei Jahre.
Das entlastet Verwaltung, Politik und Ausschüsse. - Stabilität bei laufenden Projekten
Mehrjährige Investitionen (Bau, Infrastruktur, Schulen etc.) lassen sich konsistenter finanzieren.
Mittel müssen nicht jährlich neu verhandelt werden.
Dabei ist klar, dass es auch Nachteile gibt, wie geringere Flexibilität, eine gewisse Prognoseunsicherheit und das meines Erachtens wichtigste Hauptargument der geringeren Korrektur-und Kontrollmöglichkeiten. Aber Nachsteuern bleibt immer noch möglich.
Gerade in Ingelheim mit einer eigentlich stabilen finanziellen Lage, vielen langfristigen Investitionsvorhaben und den eben geschilderten Personalengpässen könnten und sollten solche Überlegungen zumindest einmal näher diskutiert werden.
Auch der vor kurzem in den Haushalt eingebrachte Vorschlag einer Organisationsuntersuchung könnte Teil eines Lösungsansatzes sein. Einige GRÜNE Haushaltsmitglieder hatten das selber schon in der gedanklichen Pipeline, um auch beim Haushalt mehr Effizienz und Strukturen durch externe Anregungen zu erreichen.
Eine weitere Lösungsmaßnahme kann auch in dem liegen, was wir uns vornehmen, wann und wie wir es umsetzen. Thema Bauplanung und unsere Investitionsprojekte. Hier fragen wir, ob manchmal nicht weniger auch mehr sein kann? Um hier gleich dem Vorwurf eines avisierten Stillstandes vorzubeugen: Stadtentwicklung ist und bleibt auch für uns GRÜNE ein wichtiges Thema. Jedes neue Baugebiet erfordert zusätzliche Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Parkplätze, Verkehrsanbindung und Nahversorgung. Deshalb ist ein grundlegendes Umdenken nötig, das auch die Folgeinvestitionen stärker mitdenkt. In Ingelheim muss klimafreundlich und sozialverträglich gebaut werden, mit Fokus auf Nachverdichtung, Sanieren im Bestand, Energieeffizienz und Klimaschutz statt weiterem Flächenverbrauch. Jede neue Flächeninanspruchnahme muss durch gleichwertige Entsiegelung an anderer Stelle ausgeglichen werden, denn Flächen sind endlich. Rheinland-Pfalz verfolgt, im Einklang mit Bundes- und EU-Zielen, das Ziel, den Flächenverbrauch deutlich zu reduzieren und langfristig einen Netto-Null-Flächenverbrauch bis 2050 zu erreichen, um Bodenfunktionen für Klima, Wasserhaushalt und Biodiversität zu erhalten.
Wir hatten beschlossen uns auf fünf Minuten Redezeit zu beschränken, daher will ich zur schwierigen Lage von Kommunen allgemein (die Finanzlage des Kreises habe ich erwähnt), wenn Pflichtaufgaben wachsen, die Steuerautonomie von Kommunen aber beschränkt bleibt, gar nicht viel sagen. Wir dürfen uns und auch unsere Bürgerinnen und Bürger aber gerne öfter mit Dankbarkeit an die mehr als komfortable Grundsituation bei uns in Ingelheim erinnern.
Ich darf abschließend feststellen, wir GRÜNE stimmen dem Haushaltsplan zu. Ein Dank nochmal an alle Beteiligten für das Miteinander in den zurückliegenden, anstrengenden Haushaltswochen und allen hier und Ihren Familien schon mal frohe Feststage und einen guten Start ins Jahr 2026.
Jörn Simon
Stellv. Fraktionsvorsitzender
Haushaltspolitischer Sprecher
Pressesprecher
Bündnis 90/Die Grünen, Ingelheim